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INTERVIEW ZUHILF-MIT! – „An unserer Aufgabe gibt es nichts zu rütteln.”

Der SZ-Wohltätigkeitsverein hilft Saarländern und ihren Familien, die unverschuldet in Not geraten sind.

Vor einem Jahr verhinderte Corona die Feierlichkeiten zum 25. Geburtstag des SZ-Wohltätigkeitsvereines Hilf-Mit!. Schade, denn gern hätte der Verein der Saarbrücker Zeitung die Nähe zu den ihm seit vielen Jahren treu gebliebenen Spendern gesucht, den Anlass genutzt, um das Hilfsprojekt in den Fokus der Saarländer zu rücken und darüber hinaus auch einen höheren Bekanntheitsgrad bei den Jüngeren zu erzielen. Die Aufgabe des Vereines ist mindestens so wichtig wie vor 25 Jahren: Mit der Pandemie wurde die Not besonders in der einkommensschwächeren Bevölkerungsgruppe größer, da tut Hilfe auch weiterhin not. Wie ist die aktuelle Lage? Der kaufmännische Geschäftsführer der SZ, Christian Erhorn, der als Vorsitzender den Verein führt, beantwortet die
wichtigsten Fragen rund um Hilf-Mit! gemeinsam mit Eva Scherer, Leiterin des Tagesgeschäfts, und Klaus Schönwälder, Schatzmeister des Vereines.

Können Sie kurz zusammenfassen, wie es zu der Vereinsgründung kam und was das Vereinsziel ist?
CHRISTIAN ERHORN Seinen Ursprung hat der Verein in der Aktion Hilf-Mit! der Saarbrücker Zeitung. Die Aktion wurde 1973 ins Leben gerufen und war damals eine reine Weihnachtsaktion. 1995 gab es eine organisatorische Veränderung. Hilf-Mit! wurde unter anderem zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und
deren Überprüfungsmöglichkeiten in einen eingetragenen Verein umgewandelt. Seitdem ist der gemeinnützige Verein Hilf-Mit Saarbrücker Zeitung Träger der Aktion. Dieser bleibt der Tradition und den Richtlinien der Aktion Hilf-Mit! selbstverständlich treu und baut diese aus. Die Saarbrücker Zeitung übernimmt sämtliche Aufwendungen und stellt damit sicher, dass alle Spenden zu 100 Prozent den Notbedürftigen zugutekommen. Unsere wichtigste Funktion ist das schnelle und gezielte Helfen und Unterstützen von in Not geratenen saarländischen Mitbürgern und hier häufig auch von deren Familien und Kindern. Gerade diese geraten immer unschuldig in solche Situationen und bedürfen vermehrter Aufmerksamkeit.

Vor einem Jahr hatte der Verein Hilf-Mit! sein 25. Jubiläum, welches wegen Covid nicht gefeiert werden konnte. Sie hatten damals in einem Interview in der SZ über die aktuelle Situation von Hilf-Mit! und der bedürftigen Menschen berichtet. Wie war die Reaktion darauf?
KLAUS SCHÖNWÄLDER Auf das Interview folgten weitere Berichte in der SZ, in denen beschrieben wurde, wie Hilf-Mit! in konkreten Notsituationen geholfen hat und welche Projekte von Wohlfahrtsverbänden durch Hilf-Mit! finanziell unterstützt wurden. Dies hat viele Leser und Leserinnen dazu bewegt, zu spenden. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich das Spendenaufkommen in den Monaten November und Dezember 2020 deutlich.
ERHORN Die Reaktionen waren in Teilen überwältigend. Ich wurde, auch weil mich die Menschen vom Foto aus der Zeitung wiedererkannten, häufig angesprochen. Auch aus meinem privaten Umfeld, das hätte ich nicht erwartet. Die Leser und Interessierten haben, wie wir ja auch, gelernt, wie massiv Corona gerade bei Familien in prekären Situationen durch Wegfall des Mini-Jobs beziehungsweise von Zeitarbeitsverträgen zugeschlagen hat. Mit einem
Mal war der Zuverdienst, welcher für die Kinder dringendst gebraucht wurde, einfach weg. Und damit auch Hoffnung und Perspektive. Gerade die Menschen, die in einfachsten Arbeitsumfeldern tätig sind, haben zuerst ihren Job verloren. Ohne die Chance auf Abfindungen oder Kurzarbeitergeld. Das war sehr heftig und wird es, wenn ich mir die aktuellen Infektionszahlen ansehe, vielleicht auch wieder werden. Ich hoffe es nicht.

Corona hat im aktuellen Jahr zu einer Beeinträchtigung der Spendenaktivitäten geführt. Wie war denn die Entwicklung in den vergangenen zwölf Monaten?
SCHÖNWÄLDER Das höchste Aufkommen an Spenden verzeichnet „Hilf Mit!“ in der Weihnachtszeit und in den Wochen davor. In den Monaten November und Dezember 2020 wurden rund 80 Prozent des gesamten Spendenvolumens 2020 vereinnahmt. Im laufenden Jahr sind die Spendeneingänge stark zurückgegangen. Bis Ende September 2021 haben sich die Zuflüsse aus Spenden im Vergleich zum Vorjahr in etwa halbiert.

ERHORN Das ist in der Tat besorgniserregend. Wir leben auch von vielen privaten Veranstaltungen, Spendensammlungen im Kollegenumfeld, Spenden von Unternehmen. Corona hat dies größtenteils zum Erliegen gebracht. Aber das betrifft nicht nur uns, sondern auch viele andere Organisationen. Nun haben wir ein kleines Polster, sind jedoch mehrjährige Verpflichtungen gegenüber Organisationen und Vereinen eingegangen, um diese substanziell zu unterstützen. Denn nur wenn Planungssicherheit besteht, kann wirklich etwas bewegt werden. Unsere Sorge gilt jetzt den Familien und Einzelschicksalen. Dort wollen wir eigentlich nicht sparen, denn hier ist die Not ja eher größer geworden. Außerdem müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass die hohen Preissteigerungen und die generelle Inflation diesen Familien viel mehr Sorgen bereitet als uns. Und auch wir staunen schon angesichts der hohen Spritpreise und fragen uns, wo das hingeht. Wir müssen uns also was einfallen lassen, was wir auch gerne tun. Das ersetzt aber leider keinen stabilen Spendeneingang.

Sie hatten schon damals im November 2020, Corona war uns gerade mal acht Monate bekannt, darüber berichtet, dass immer mehr Familien in mehrfachem Hinblick davon betroffen sind. Warum?
EVA SCHERER Wie bereits erwähnt, fielen in großem Umfang Minijobs weg, und ebenso wurde von Unternehmen in großem Umfang mit dem Instrument der Kurzarbeit gearbeitet, um Arbeitsplätze zu erhalten. Beides hatte letztendlich zur Konsequenz, dass die Betroffenen mit weniger Geld dastanden. Als im ersten und zweiten Lockdown Hamsterkäufe einsetzten, stieg die Panik bei Menschen mit niedrigem Einkommen, was ihre Versorgungssituation anging. Dazu fielen Pandemie-bedingt zusätzliche Kosten an, zum Beispiel für den Kauf von Hygieneartikeln oder auch für die Anschaffung einer notwendigen Ausrüstung für Homeschooling. Oben drauf die psychische Belastung. Kitas, Kindergärten, Schulen, Spielplätze geschlossen, ein eigener Garten meist nicht vorhanden. Viele Treffen schlichtweg untersagt. Das Arbeitsverhältnis der Eltern gekündigt oder in Schwebe, Home-Office, den ganzen Tag aufeinanderhocken. Die häusliche Gewalt stieg. Die Angst vor Corona blieb.

Und wie reagierten Sie darauf? Wie gingen und gehen Sie damit um?
SCHERER Dazu einige Beispiele aus der Projektförderung. Im März 2020verteilten wir an Tafeln im gesamten Saarland insgesamt 25 000 Euro.
Dieses Geld sollte dafür verwendet werden, um Lebensmittel zuzukaufen oder Lebensmittelgutscheine anzuschaffen, um bedürftigen Familien damit weiterzuhelfen. Die Tafeln wurden somit finanziell entlastet und konnten eigene Mittel in die Finanzierung, zum Beispiel von studentischen Mitarbeitern wegen des Ausfalls vieler älterer Ehrenamtlicher, oder in die Organisation alternativer Lebensmittelausgabestellen stecken. Anfang 2021 förderten wir durch Finanzierung mehrerer Tablets ein Projekt der Pflegeschule des Universitätsklinikums des Saarlandes. Die Pflegeschüler hatten sich im Projekt „Digitalisierung in der Pflege“ zum Ziel gesetzt, Kindern, die wegen Corona in der Klinik keinen Besuch erhalten durften, durch die Nutzung von Tablets die Möglichkeit zu geben, sich per Scan eines QR-Codes zum Beispiel Geschichten, auch mehrsprachig, vorlesen zu lassen, Malvorlagen zu bearbeiten und vieles mehr. Im Sommer beteiligten wir uns an der Finanzierung einer Familienfreizeit auf der Insel Ameland, initiiert von einem karitativen Träger.

ERHORN Das sind gute Beispiele, wie wir gezielt helfen können. Letztendlich müssen wir vermehrt auf die Anträge von Familien und Einzelpersonen achten, die durch Corona völlig unverschuldet in die Bredouille gekommen sind.

Wie haben sich die Härtefälle entwickelt?
SCHERER Die allgemeine Belastung der Familien und auch der in Armut lebenden Einzelpersonen wuchs mit jedem Monat der Pandemie.
Die Kosten für den Lebensunterhalt steigen zudem, das ALG II wurde nur gering angepasst. Es bestehen berechtigte Sorgen, wie das zu stemmen ist. Die Not wird stetig größer.

Wie kann Unterstützung bei Hilf-Mit! beantragt werden?
SCHERER Zur Antragstellung werden verschiedene Unterlagen benötigt, anhand derer der Vorstand
des Vereins entscheidet, wer Unterstützung erhält. Bei Antrag auf Einzelfallunterstützung benötigen wir neben unserem Antragsformular die Empfehlung eines Wohlfahrtsverbands und einen Nachweis über die monatlichen Einkünfte. Besonders hilfreich ist ein persönliches Schreiben, indem die Notlage kurz skizziert wird. Dieser Brief kann ausschlaggebend sein. Alle notwendigen Informationen hierzu gibt es zusammengefasst unter https://hilfmit-saarland.de/ich-brauche-hilfe-v2/.
Bei Anträgen für Projektförderung ist eine Beschreibung des geplanten Projekts erforderlich sowie ein Finanzierungsplan. In den meisten dieser Fälle können wir nur einen Teilbetrag zuschießen. Fragen beantworten wir gerne unter der Telefonnummer (0681) 5 02 30 25 oder auch per Mail an hilfmit@sz-sb.de.

Über die Einzelfall-Hilfe hinaus hat Hilf-Mit! in der jüngsten Vergangenheit institutionelle Förderungen unternommen. Welche?
SCHERER Hilf-Mit! unterstützte caritative Organisationen bei der Realisierung verschiedener Projekte. Einige Beispiele hierfür sind die Förderung der Praxis Medizinische Grundversorgung für Wohnungslose, der Seniorenberatungsstelle Saarbrücken-Eschberg, finanzielle Unterstützung des Fördervereins
Sankt Jakobus Hospiz, des Kinderhospiz- und Palliativteams Saar, der Saarländischen Krebsliga und der Wärmestube Saarbrücken.

Und schließlich darf der Ausblick nicht fehlen: Wie wird es mit Hilf-Mit! der Saarbrücker Zeitung weitergehen? Vergangenes Jahr haben Sie berichtet, dass Ihr erklärtes Ziel ist, die Vereinsarbeit in gewohnter Weise vollumfänglich weiterzuführen und viele unverschuldet in Not geratene Saarländer auch weiterhin zu fördern. Hat sich der Ausblick verändert, bleibt die bisherige Linie, gibt es neue Trends und Entwicklungen, die zu Veränderungen führen?
ERHORN An unserer Aufgabe gibt es nichts zu rütteln. Wir müssen Saarländern und deren Familien helfen, die unverschuldet in große Not geraten sind und denen die öffentliche Hand aus vielfältigsten Gründen nicht immer helfen kann. Und um das hier auch klar zu sagen: Die öffentliche Hand unterstützt schon gut und engagiert. Aber es ist eben auch eine Aufgabe, die auf Regeln beruht. Es können nicht einfach Mittel nach Gutdünken verteilt werden. Das kann auch niemand wollen oder verlangen. Aber hier können wir zusammen mit den karitativen Organisationen ansetzen, um im Einzelfall noch zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen und nachzuschärfen. In Kombination hilft das wirklich gut. Das bleibt unsere Aufgabe. Ich würde mir wünschen, dass Betroffene – vor allem von Altersarmut Betroffene – ihre Scheu verlieren. Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten. Das Leben ist nicht immer fair und einfach. Im Ergebnis
bleibt unsere Aufgabe unverändert, aber das Thema Nachwuchs und Digitalisierung wird uns umtreiben müssen.
SCHERER Ich sehe das genauso. Unsere Arbeit ist sinn- und wertvoll. Sie wird von unseren Kooperationspartnern geschätzt. Die Menschen, welche wir unterstützen können, sind sehr dankbar. Oftmals schließen wir eine Lücke im System, dort wo die Not am größten ist und die Hoffnung auf Hilfe gering. Deshalb der Appell an Sie, bitte helfen Sie uns mit Ihrer Spende, sodass wir unsere Arbeit fortsetzen und dadurch vielen Menschen im Saarland auch weiterhin
zur Seite stehen können. Spenden an unseren gemeinnützigen Verein sind steuerlich absetzbar. Vielen Dank im Voraus für jede auch noch so kleine Spende! Auch kleine Beträge bewirken in Summe viel Gutes.

Eva Scherer, Klaus Schönwälder und Christian Erhorn (von links) engagieren sich mit weiteren Vorstandsmitgliedern für den SZ-Wohltätigkeitsverein Hilf-Mit! und freuen sich über die Unterstützung der Saarländer. Jede Spende kommt zu 100 Prozent bei den Bedürftigen an.
Foto: Oliver Dietze